Emotionen sind unvermeidbare Begleiter in unserem Leben. Dabei stellen Sie Wegweiser dar, die uns durch die alltäglichen Geschehnisse leiten können. Sie geben uns Hinweise, zeigen Grenzen auf und machen das Menschsein überhaupt erst greifbar. Doch in bestimmten Situationen – etwas in Konflikten, unter Druck oder bei den zahlreichen Missverständnissen – übernehmen unsere Emotionen manchmal das Steuer. Daraus resultiert etwas, das meist nicht sehr hilfreich ist: verletzende Worte, impulsive Entscheidungen oder Schuldzuweisungen.
Dabei ist gerade die Fähigkeit, emotionale Situationen zu kontrollieren, ein enormes Potential. es fördert unser persönliches Wachstum, aber auch ein friedliches und respektvolles Miteinander.
Emotionale Selbstkontrolle hat einen wichtigen Nutzen
Es geht bei emotionaler Selbstkontrolle keineswegs um das Unterdrücken, sondern um bewusstes Lenken. Denn wer seine Emotionen versteht und steuern kann, ist nicht nur resilienter im Alltag, sondern auch klarer, emphatischer und handlungsfähiger.
Für unser soziales Miteinander bedeutet dies:
- Weniger Eskalationen, mehr gegenseitiges Vertrauen
In einer Welt, in der unsere Zündschnur aufgrund der zahlreichen Stressoren sowieso schon kurz ist, zeigen wir plötzlich Geduld und Mitgefühl. - Respektvoller Umgang, auch bei Meinungsverschiedenheiten
Die Streitkultur wird vor allem in den sozialen Medien angeprangert. Aber auch in echten Begegnungen wird erkennbar, dass Streiten und Diskutieren heutzutage ein verlerntes Talent ist. - Mehr Vertrauen und tiefere zwischenmenschliche Beziehungen
Man könnte es auch als Grundvertrauen zwischen Menschen bezeichnen. Die Angst, etwas falsches zu sagen verschwindet. Wir können darauf vertrauen, dass uns verziehen wird und dass wir im Notfall auch nochmals korrigieren können ohne das Gesicht zu verlieren.
Auch für unsere persönliche Entwicklung lassen sich echte Benefits erkennen:
- Stärkung der Selbstwirksamkeit: Ich bin nicht Opfer meiner Gefühle.
Aktives gestalten des eigenen Lebens ins sicherlich ein Wunsch, den jeder in uns trägt. Nicht mehr gestreut werden von den Umständen, sonder bewusstes Entscheiden für oder gegen die Dinge, die uns widerfahren. - Innere Ruhe: Auch in stressigen Situationen den Überblick behalten.
Ist es nicht ein toller Gedanken: Egal wie uns geschieht, wir bleiben ruhig. Wir analysieren, fühlen in uns und entscheiden dann, welchen Weg wir gehen wollen. - Mentale Freiheit: Entscheidungen aus Klarheit statt aus Impulsivität treffen
Mit Freiheit muss man umgehen können. Viele haben das verlernt. Es ist auf den ersten Blick angenehmer, sich treiben zu lassen. Doch gerade dies führt dazu, dass wir entgegen unserer Bedürfnisse agieren müssen. Das bricht dann von Zeit zu Zeit aus uns heraus – impulsives Verhalten entsteht.

Vieles davon wird im Alltag spürbar: Die E-Mail des Kollegen, der dich auf den ersten Blick anzugreifen scheint. „Das hättest du aber besser vorbereiten müssen.“ Die spontane Reaktion der meisten wird emotional geprägt sein. Ärger, Wut oder vielleicht sogar Scham kocht in einer auf. Der erste Impuls ist es vielleicht, sofort eine scharfe Antwort zu formulieren. Und du erkennst bereits, dass dies nie eine gute Idee ist.
In diesem Fall bedeutet emotionale Kontrolle
- einfach zu stoppen, was in dir vorgeht. Atmen (ja das ist tatsächlich wichtig) und erstmal nicht zu reagieren. Das ist für viele schwerer als es klingt. Denn wir sind konditioniert auf Abwehrverhalten.
- Wenn du es aber schaffst, zu reflektieren, hast du fast schon gewonnen. Was hat dich genau getroffen? Was könnte die Sachebene der Botschaft in dieser E-Mail sein?
- Damit bist du bereits im nächsten wichtigen Punkt: Versuche den Perspektivwechsel. Könnte es sein, dass der Ton schlecht, die Absicht aber gut und sachlich war?
- Abschließend folgt – und bitte erst jetzt – die bewusste Antwort an den Kollegen: „Danke für dein Feedback. Was genau hat dir gefehlt, damit ich es beim nächsten Mal berücksichtigen kann?“
Das Ergebnis ist: kein Drama, kein Rechthaben-Müssen. An diese Stelle tritt Klarheit und Dialog.
Methoden zur emotionalen Selbststeuerung
Nicht nur die Psychologie, sondern auch die Achtsamkeitspraxis bietet bewährte Methoden:
Die 90-Sekunden-Regel (Dr. Jill Bolte Taylor)
Ein Gefühl dauert – physiologisch gesehen – etwas 90 Sekunden. Danach entscheidet unser Geist, ob wir es am Leben erhalten wollen. Oben beschrieb ich bereits, wie wichtig das Atmen als Reaktion auf die E-Mail des Kollegen ist. Denn erst damit durchbrichst du die Impulsreaktion. Du beginnst stattdessen dich und deine Emotion zu beobachten. Erst danach kommst du ins Handeln.
Die Meta-Ebene einnehmen
„Was würde ich meine besten Freund raten, wenn er in meiner Situation wäre?“. Dieser kleine Trick führt dich in eine Gedankenwelt, die sich dir ansonsten nicht erschließt. Es schafft Distanz zum eigentlichen Problem und erzeugt emotionale Klarheit.
Inneres Reframing
Hierbei programmierst du deine Gedanken bewusst um. Du änderst den Blickwinkel durch eine passende Fragestellung. Bisher hast du dir gesagt „Ich werde angegriffen“. Beim Reframing wird daraus „Da spricht jemand aus seiner eigenen Unsicherheit.“
Anstatt „Ich bin wütend“ sagst du dir „Ich fühle mich gerade nicht gesehen – was brauche ich?“
Tagebuch der Trigger
Nachhaltiger ist diese Methode eines Tagebuch. Du kannst über mehrere Tage ein kleines digitales Notizbuch anlegen. Schreibe dir auf, wann genau du emotional getriggert wirst. Was war das für eine Situation, und was war emotional spürbar? Dies sind Schritte, mit denen du eine Veränderung in deinem Bewusstsein herbeiführst. Der Effekt tritt sehr schnell ein. Du wirst bereits nach den ersten Tagen nicht mehr impulsiv reagieren.
Die Psychologie als Hintergrund
In der modernen Psychologie spricht Daniel Goleman von emotionaler Intelligenz. Sie beschreibt die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen, zu beeinflussen und in Beziehung zu setzen. Menschen, die als emotional Intelligent gelten, sind nachweislich erfolgreicher. Nicht nur im Beruf, sondern auch in Partnerschaften und Freundschaften. Sie reagieren nicht automatisch, sondern reflektieren.
Die Selbstregulation ist dabei ein zentrales Konzept. Damit ist die Fähigkeit gemeint, innere Impulse zu erkennen und aktiv zu lenken, statt ihnen ausgeliefert zu sein.
Die Philosophische Perspektive
Des öfteren zitiere ich den Stoiker Epiktet. Er und Marc Aurel wussten bereits „Nicht die Dinge selbst beunruhigen uns, sondern die Meinungen darüber.“ Was wir denken beeinflusst, wie wir fühlen. Und das können wir aktiv gestalten – zumindest mit etwas Übung.
Die Philosophe will uns also einladen, die Freiheit zu erkennen, die zwischen Reiz und Reaktion liegt. Dort beginnt unsere wahre Macht über uns selbst und unser Leben.
Emotionale Kontrolle ist ein Akt der Liebe
Ja das klingt erst einmal seltsam. Fast esoterisch. Aber es ist eine Wahrheit. Denn wer seine Emotionen steuert, der führt ein bewusstes und starkes Leben. Und das nicht weil er keine Gefühle hat, sondern weil er mit ihnen in Freundschaft ist. Wenn das keine Selbstliebe ist.
An der University of Massachusetts unterrichtet Prof. Jon Kabat-Zinn an der Medical School Achtsamkeit. Von ihm stammt dieses Zitat: Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen, auf ihnen zu surfen.“
In einer Zeit, in der Lautstärke und Impulsivität dominieren, ist emotionale Selbstkontrolle kein Zeichen von Schwäche, sondern von echter Stärke und innerer Reife.