Die Kraft der zweiten Chance

Die Kraft der zweiten Chance

„Der bekommt bei mir keine Chance mehr“, so sagte kürzlich eine verärgerte Bekannte. Sie war voller Wut und Enttäuschung. Eigentlich war sie verletzt, denn jemand hatte wohl ihre Bedürfnisse oder Wünsche nicht erfüllt. Dabei liegt gerade in der zweiten Chance eine echte Super-Kraft.

Doch warum sind wir so schnell von jemandem enttäuscht. Ein Grund liegt in der eigenen Wahrnehmung von „Wahrheit“. Und dieses Thema scheint in Zeiten der sozialen Medien immer schwerer zu werden. Welche Wahrheit ist die Richtige? Im Zweifel immer meine. Vielleicht denkst du so nicht bewusst, aber tief in dir geht es dir genauso. Es gibt nur wenige Menschen, die so bewusst und reflektiert durchs Leben gehen, dass sie auch andere Wahrheiten akzeptieren. Doch was sind Wahrheiten überhaupt?

Wahrheiten sind natürlich das, was wir von außen eingetrichtert bekommen. Und da beginnt die Misere schon. Die Politik sorgt nicht zuletzt dafür, dass das Wort nicht mehr zählt. Zu schnell ändern sich die Bedingungen unserer modernen Welt, als dass man heute noch Versprechen machen könnte, die man morgen einhalten sollte. Ganz gemäß dem Motto: „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“. Aber auch die Medien verkaufen ihre Wahrheiten. Si gelingt es heute kaum mehr jemandem, die globalen Geschehnisse einzuordnen. Wie ist es nun gleich in der Ukraine? Regiert Putin nur auf die Nato-Ost-Erweiterung oder agiert er aufgrund traditioneller Sowjet-Phantasien? Ist nun Palästina auf dem falschen Dampfer oder macht auch Israel Fehler? Wer weiß das schon alles. Klar, es gibt eine offizielle Sprechart. Aber für jeden einzelnen von uns gibt es eben zu allem auch eine eigene Wahrheit. Oder besser gesagt eine eigene Wahrnehmung, die sich aus Erziehung, Glaubenssätzen, Ängsten und Hoffnungen speist.

Akzeptieren heißt nicht tolerieren

Wie soll es da möglich sein, die eine echte Wahrheit zu proklamieren?! Wir müssen damit leben, dass jeder selbst definiert, was für ihn richtig oder falsch ist. Und das ist hart. Das führt zu Konflikten und Streitigkeiten selbst im engsten Familienkreis. Wir müssen akzeptiere – wir müssen aber nicht tolerieren. Das ist ein großer Unterschied. Zu akzeptieren bedeutet zu erkennen, dass andere eben anders ticken. Und damit ecken sie eben oft bei uns an. Das hat seine Grenzen. Werden diese überschritten, zum Beispiel durch Verletzung, seelische Verstümmelung, Diffamierung oder Diskriminierung, dann gilt es keine Toleranz walten zu lassen. Dann müssen wir diese Grenzen aufzeigen, uns vielleicht sogar wehren.

Aber bis dahin gilt es, andere in ihrer Eigenart und ihrer Wahrheit zu akzeptieren. Und das bedeutet, dass wir nicht immer Zufrieden mit dem anderen sein werden. Also gehört es zu einem gesunden Miteinander, nicht nach einer Chance aufzugeben. Da darf es gerne eine zweite und dritte geben.

Achja, welche Superpower war das gleich nochmals mit der zweiten Chance? Wer in der Lage ist, anderen immer wieder die Türe offen zu halten, der baut Selbstvertrauen auf. Der ist verlässlich und emphatisch. Wenn das mal keine Superkräfte sind…