Ich weiß nicht ob du aktuell selbst Führungskraft bist. Aber wenn du zurückdenkst an deine Führungskräfte, dann fallen dir vielleicht Beispiele ein, die zumindest latent mit ihrer Macht gespielt haben. Denn Führen bedeutet, die zugeteilte Verantwortung im Sinne der anderen einzusetzen. Derer, die geführt werden sollen. Mit klassischer Macht hat das nichts zu tun. Viele missverstehen das aber.
Insbesondere charismatische Führungskräfte können Gefahr laufen, die Führungsaufgabe als ihre Bühne wahrzunehmen. Es stellt sich dabei immer die Frage, inwieweit die Führungskraft im Vordergrund stehen soll oder darf. Das hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist sicherlich, dass man auch die Schläge abbekommt, wenn man vorne steht. Dahinter kommen vielleicht nur noch dumpfe Stöße an, die aber auch nicht wirklich motivierend wirken. Manchmal reichen die Teamleiter diese Schläge auch direkt durch und versuchen so, die Verantwortung für ihre eigenen schlechten Ergebnisse direkt weiter zu reichen.
Ethische Ansätze statt Führungs-Ego
So ist Führung aber nicht gedacht. Vielmehr soll eine moderne Führungskraft für ein motivierendes und förderliches Arbeitsumfeld sorgen. Misserfolge müssen moderiert und übersetzt werden in Verbesserungen und nachhaltige Veränderungen. Das ist der ethische Ansatz, der dafür Sorge trägt, dass der Beschäftigte als Mensch mit seinen Stärken im Mittelpunkt steht und nicht die eigene Führungsfigur.
Christian Bernhardt, Trainer für Führungsthemen und Buchautor, schreibt in seinem aktuellen Führungsratgeber „Echte Wertschätzung“, wie wichtig Beziehungsarbeit ist. Und dass es ohne bewusste Aufmerksamkeit als Schlüsselgröße in der Führung nicht mehr geht. Ein Satz prägte sich mir dabei besonders ein: „Hart in der Sache, weich zum Menschen“. Den Kerngedanken hat er damit hervorragend erfasst.
Unterstützende Methoden
Es gibt verschiedene Ansätze, um bereits frühzeitig zu verhindern, dass Führung als Machtinstrument missbraucht wird.
Machtrotation
Vielleicht eher unkonventionell ist die Machtrotation. Führung wird erst dann zur Macht, wenn ich Sie untermauern, ja geradezu betonieren kann. Dafür brauche ich Zeit. Diese Zeit lässt man Führungskräften nur allzuoft, in dem man Sie auf ihren Positionen sitzen lässt – selbst wenn Sie auf Beziehungsebene längst in zahlreichen Konflikten verhaftet sind. Diese Energie geht dann für die eigentliche Führungstätigkeit verloren. Während man in den Teams gerne dafür sorgt, dass Job-Rotation als Entwicklungsinstrument genutzt wird, traut man sich das bei Führungskräften kaum. Warum also nicht auch Führungskräfte immer nur für wenige festgelegte Monate in ihren Positionen belassen? Ich verstehe sehr wohl, wie wichtig Stabilität ist. Aber wenn Machtspielchen einziehen, dann hat das mit Stabilität nichts mehr zu tun. Mit Machtrotation ist eben gemeint, dass eine Person in der Sache arbeiten kann – für diesen begrenzten Zeitraum. Danach übernimmt ein anderer. Sicherlich ist dieser Schritt mutig und muss insbesondere von den Teams getragen werden. Es kann aber zumindest für einen gewissen Zeitraum Ruhe bringen und konzentriertes Arbeiten in der Sache.
Ethik-Checkliste
Führungsentscheidungen können, bevor Sie gefällt werden, diesem Ethik Check unterzogen werden. Dabei wird ein Fragenkatalog entworfen, der akribisch beantwortet wird, bevor man zu einer Entscheidung kommt. Dies kann eine Führungskraft für sich umsetzen oder im Team. Fragen wie „Wem nützt diese Entscheidung?, Wem könnte dies schaden? etc., helfen, sich auf mögliche Konsequenzen einzustellen. Sie machen klar, dass die Entscheidung vielleicht getroffen werden muss. Aber man erkennt notwendige „Ausgleichsmaßnahmen“, die es zu ergreifen gilt. Zudem schafft Sie ein enormes Maß an Transparenz. Teams folgen den Entscheidungen vermutlich etwas leichter.
Blind-Spot-Feedback
Ich konnte viele Jahre mit einem der erfolgreichsten und wohlhabendsten Unternehmer meiner Region zusammen arbeiten. Und obwohl er ein sehr umgänglicher Mensch war, hatte er über die Jahrzehnte einen hohen Status in seinen Betrieben. Er beschrieb mir einst sein Hauptproblem als oberste Führungskraft. „Keiner traut sich, mir die Meinung zu sagen und mich vor falschen Entschlüssen zu warnen“. Dabei treffe er täglich falsche oder gar schädliche Entscheidungen, die er oft erst im Nachhinein als solche erkenne. Sein Wunsch nach ehrlichem Feedback war groß. Erfüllt hat es ihm keiner.
Als Führungskraft also bewusst nach diesem Feedback zu fragen, vielleicht sogar entsprechend Formate dafür zu entwickeln, könnte helfen. Vielleicht führt man einen monatlichen Austausch mit Auszubildenden ein, in dem diese ihre Meinung sagen dürfen. Ja, das kann weh tun. Da muss man als Führungskraft durch – aber mit der Zeit werden die Entscheidungen besser und die Schmerzen daraus weniger.
Es gibt also zahlreiche Instrumente außerhalb der üblichen oder normalen Führungsphilosophien. Und sie bedürfen Mut und Kreativität. Was das Ziel sein sollte lässt sich mit einem Zitat gut auf den Punkt bringen:
„Wenn einem die Menschen folgen, weil sie müssen, dann ist das nur Macht. Wenn sie einem aber freiwillig folgen, dann ist das echtes Vertrauen“.