Wann hast du das letzte mal so richtig versagt? Vielleicht hast du das letzte Projekt in den Sand gesetzt, vielleicht endete aber auch dein Bewerbungsgespräch mit einer Absage. Möglicherweise bist du mit einem geliebten Menschen in einen waschechten Konflikt gerannt. Dann kann ich dir gratulieren! Du hast das gut gemacht. Denn du hast dadurch mehr gelernt, bist innerlich noch mehr gewachsen, als wenn dir all das mit Leichtigkeit gelungen wäre.
Denn diese Misserfolge haben dich verändert. Und zwar in deinem Innersten. Genau an der Stelle, an der Erfolge im Leben kaum Wirkung entfalten. Wir leben in einer Kultur, in der Erfolge selbstverständlich mehr gefeiert werden als Misserfolge. Sie werden laut gefeiert, sichtbar und glänzend. Doch Demut, Charakterstärke und Wachstum – das lehren uns Misserfolge viel besser. Große Erfolge können uns – wenn wir nicht aufpassen – sogar zur Stolperfalle werden.
Was bedeutet überhaupt „Erfolg“ und warum kann er gefährlich sein?
Erfolg wird meist mit äußeren Kennzahlen gemessen. Karriere, Geld oder Ansehen. Aber echter Erfolg ist mehr als nur ein Titel oder ein hoher Kontostand. Es ist das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Eigentlich sollten wir dazu nicht Erfolg sagen, sondern Leidenschaft. Das wird immer dann spürbar, wenn wir mit uns selbst und den anderen im Einklang sind.
Erfolg hat manchmal eine Schattenseite: er kann uns träge machen. Wenn alles gut läuft, fehlt oft der Impuls zur Veränderung. Noch gefährlicher: Erfolg kann uns unbewusst über andere erheben. Wir hören auf, zuzuhören. Wir nehmen Kritik oft persönlich oder bauen ein Ego auf, das keine Schwäche mehr zulässt. Uns selbst nicht und anderen gegenüber auch nicht mehr.
So können wir manchmal Führungskräfte beobachten, die über viele Jahre große erfolge feiern konnten. Sie fühlen sich dann vielleicht unfehlbar. Entscheidungen treffen sie gerne alleine (nur sie können Erfolge erzeugen). Doch irgendwann kippt das Klima im Team. Misstrauen, Rückzug oder innere Kündigung. Der Erfolg hat sie isoliert.
Misserfolg als Katalysator für Entwicklung
Scheitern tut weh, es kratzt am Selbstbild. Aber genau darin liegt seine Kraft. Misserfolge zwingen uns zur Selbstreflexion. Und das ist eine Wunderwaffe, die wir häufig erst in der Krise in unseren Instrumentenkoffer aufnehmen. wir werden dann gezwungen, die richtigen Fragen zu stellen, die wir im Erfolg eher nicht stellen würden: Was hat wirklich nicht funktioniert? Welche Verantwortung trage ich selbst dabei? Was kann ich daraus lernen?
Stelle dir vor, wie eine Start-Up-Gründerin bei ihrem ersten unternehmerischen Versuch scheitert. Doch anstatt aufzugeben, reflektiert sie: sie war vielleicht zu ungeduldig, zu perfektionistisch. In ihrem zweiten Anlauf stellt sie ein Team zusammen, dem sie vertraut. Vermutlich ist sie danach erfolgreicher und vor allem menschlicher, als je zuvor.
Gibt es Methoden?
Wenn du meinen kleinen Blog regelmäßig liest, dann kennst du immer auch Methoden zu meinen Themen. Auch zum Scheitern gibt es diese und sollten dir helfen, die erwähnte Reflexion konsequent zu verfolgen.
Scheiter-Tagebuch
Nimm dir jede Woche ein paar Minuten Zeit und beantworte folgende Fragen:
– Was ist diese Woche schiefgelaufen?
– Wie habe ich darauf reagiert?
– Was nehme ich für die Zukunft mit?
Du wirst schnell sehen, dass du einen Lerneffekt spürst, der dich jede Woche besser werden lässt. Du beginnst sicherlich schnell, die anstehenden Aufgaben anders anzugehen. Du denkst mögliche Fehler voraus und gehst vielleicht bewusster in die Projekte als zuvor. Du veränderst dein Mindset und zwar positiv.
Positiver Mindset – nicht trotz, sondern wegen der Rückschläge
Ein positives Mindset bedeutet keineswegs, alles schönzureden. Es bedeutet, konstruktiv mit dem umzugehen, was ist – auch mit Schmerz, Zweifel oder Angst. Der Schlüssel liegt im sogenannten Growth Mindset: dem Glauben, dass Fähigkeiten und Charakter durch Anstrengung und Lernen wachsen können.
Methode Refraiming
Anstatt zu denken „ich bin gescheitert“, sage dir:“Ich habe etwas versucht, das nicht funktioniert hat – und jetzt weiß ich mehr“. Das ist nicht abgehalftert – das ist auch kein Taschenspielertrick. Das ist waschechte Psychologie. Und ein kleines bisschen Suggestion, wie in einer Hypnose. Nur mit dem unterschied, dass du selbst dein Hypnotiseur bist und entschieden kannst, welche Gedanken du dir einpflanzt.
In meiner Karriere wurde ich einmal bei einer Beförderung übergangen. Ich wurde lange Zeit blockiert. In meiner Verzweiflung hörte ich dennoch auf die Rückmeldungen meiner Vorgesetzten und konnte so gezielt an den noch fehlenden Führungsfähigkeiten arbeiten. Wenig später brachte alleine das alles ins Laufen. Ein Jahr später übernahm ich selbst als Führungskraft ein Team und konnte als Mentor für andere aktiv werden. Das fühlte sich gut an – vor allem weil ich davor gescheitert war und jetzt wachsen konnte.
Das soziale Miteinander kann sich dadurch verändern
Diejenigen unter uns, die ihre eigenen Schwächen akzeptieren können, haben Mitgefühl für andere. Sie urteilen weniger und hören vermutlich besser zu. Sie können zugeben, wenn sie Unrecht haben – und das schafft Verbindung.
Auch hier ein Beispiel aus meiner Praxis: Ein Projektteam scheiterte an einem großen Auftrag. Doch anstatt Schuldige zu suchen, analysierte das Team gemeinsam die Fehler. In der Folge daraus meisterten sie die anderen Projekte besser, mit mehr Offenheit und Vertrauen entstand ein neuer Teamgeist. Ohne das anfängliche Scheitern hätte diese Veränderung eher nicht stattgefunden. Denn erst das brachte echten Zusammenhalt.
Methode: Fehler feiern
Du kannst diese Erkenntnis auf die Spitze treiben: einmal im Monat darf jeder im Team einen persönlichen Fehler beschreiben. Und was er oder sie daraus gelernt hat. Die Taboos und Vorbehalte, die es sonst vielleicht immer gab wenn es um Fehler ging, verschwinden. Und das schafft psychologische Sicherheit.
Mit Rückschlägen kannst du deinen Kompass finden
Erfolg kenn blenden – Misserfolge machen ehrlich. Denn sie zeigen dir, was dir wirklich wichtig ist und was du brauchst. Oder auch wofür du morgens aufstehst. Dabei ist immer deine persönliche Rückschau wichtig. Nicht nur auf die letzten Tage, sondern auf dein Leben:
– Was war mein bisher schwerstes Jahr – und was habe ich daraus mitgenommen?
– In welchem Moment bin ich über mich hinausgewachsen?
– Was hat mir geholfen, wieder aufzustehen?
Diese Fragen kannst du vielleicht nicht auf Anhieb beantworten. Vielleicht brauchst du dazu mehrere Runden. Aber irgendwann hast du die passenden Antworten und damit auch deinen inneren Kompass gefunden. Und bei diesem Kompass regieren nicht die Nadeln und die Pole. Sondern die Erkenntnis:
Nicht was glänzt – sondern was bleibt, wenn alles andere wegfällt.
Fazit: Misserfolg als Meisterlehrer
Vielleicht tut Misserfolg weh, aber er lügt nicht. Er zeigt dir, wo du wachsen darfst. Erfolg kann das dann vielleicht noch bestätigen. Aber nur die Rückschläge können dich verwandeln.
Und ein positives Mindset heißt neben nicht „alles ist gut“. Es heißt „ich bin bereit, aus allem etwas Gutes zu machen“. Nutze deine Fehler – sie sind keine Schande. Sie sind Rohdiamanten auf dem Weg zu dir selbst.